Gegen Ende des Jahres 2021 fand in Glasgow die 26. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP) statt. Carl-Georg Luft, Vorstandsvorsitzender der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, nahm an der Konferenz teil. Gemeinsam mit Marc-A. Nicolas Hermann, Redaktionsmitglied des Jahrbuchs Mediation, verfasste er den nachstehenden Beitrag zum Thema „Climate Change Dispute Resolution“. Die beiden Autoren untersuchen, inwiefern mediative Methoden zur Förderung des Klimaschutzes beitragen könnten.
Die Vertragsparteien trafen auf der 26. COP verbindliche Vereinbarungen, etwa zur Nutzung internationaler Marktmechanismen und deren Anrechnung. So wurden unter anderem Regeln für den Emissionshandel festgelegt und ein globaler Mechanismus zur Emissionsreduktion beschlossen. Allerdings konnten aufgrund unterschiedlicher Interessen der Nationen in folgenden Punkten keine verpflichtende Einigung erzielt werden:
- Unterschiedliche Zeiträume für Klimaziele:
Die Länder konnten sich nicht auf einheitliche Zeiträume für ihre nationalen Klimaziele einigen, was es erschwert, ihre Fortschritte miteinander zu vergleichen. - Neuer Zyklus für die Einreichung der nationalen Klimaschutzpläne:
Es gab keine Einigung darauf, dass Länder ihre Klimaschutzpläne drei Jahre früher als bisher festlegen müssen – eine Maßnahme, die als notwendig für das Ziel der Klimaneutralität gilt. - Mehr Geld für Entwicklungsländer:
Die zugesagten Finanzhilfen für Entwicklungsländer, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, wurden nicht wie erhofft erhöht. - Schnellere Reduzierung der Kohleverstromung und fossilen Subventionen:
Die Länder konnten sich nicht darauf verständigen, schneller aus der Nutzung von Kohle auszusteigen und ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe abzuschaffen.
Die Leiterin des UN-Klimasekretariats, Patricia Espinosa, bezeichnete die Ergebnisse der COP26 als eine Brücke – eine Verbindung zwischen guten Absichten und konkreten Maßnahmen, zwischen den ehrgeizigen Versprechen der Weltgemeinschaft und den wissenschaftlich begründeten Maßnahmen, die notwendig sind und von der Gesellschaft gefordert werden. Zudem sei diese Brücke ein Wegbereiter für eine tiefgreifende Transformation (UN 2021; UN 2022). Doch es bleibt fraglich wie stabil diese Brücke wirklich ist. Besonders die Eigeninteressen der einzelnen Staaten könnten zu einer zumindest zeitweisen Abkoppelung der nationalen Klimaschutzmaßnahmen von den globalen Klimazielen führen.
Das Klima ist ein globales öffentliches Gut – es steht allen Nationen gleichermaßen zur Verfügung. Die Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention erkennen Klimaveränderungen und deren Folgen als gemeinsames Anliegen der Menschheit an (UN 1992). Daraus ergibt sich nicht nur ein legitimes Interesse am Klimaschutz, sondern auch eine völkerrechtliche Verpflichtung („erga omnes“), diesen gemeinsam voranzubringen. Eine Nichteinhaltung dieser Pflicht wäre theoretisch sogar einklagbar (Birnie/Boyle/Redgwell 2009). Allerdings sind die Durchsetzungsmechanismen der COP-Konferenzen eher schwach, sodass Verstöße gegen Klimaschutzverpflichtungen oft ohne ernsthafte Konsequenzen bleiben (Moeckli 2015).
Ohne ein wirksames System zur Kontrolle der Umsetzung geht der Fortschritt im Klimaschutz – wie derzeit zu beobachten – nur schleppend voran. Verstöße einzelner Staaten müssten konsequent und spürbar sanktioniert werden – und die Art der Sanktionen dürften im Vorfeld nicht bekannt sein, um eine Umgehung dieser auszuschließen (Nirwan/Reddy/Rajeev 2021). Aber selbst wenn eine Geheimhaltung gelänge, wären nachträglichen Strafen aufgrund der knappen Zeit zur Emissionsreduktion weder verantwortbar noch durchführbar. Stattdessen müssen also präventive Mechanismen wie Vermittlungsverfahren (Mediation) eine größere Rolle spielen – auch abseits der COP.
Konfliktfelder
Durch den Klimawandel ergeben sich zahlreiche Konfliktfelder zwischen den Nationen. Dazu gehören der Rückgang landwirtschaftlicher Flächen, Verlust der Ernährungssicherheit, Verlust bewohnbarer Flächen in Küstenzonen und Inselregionen, Trinkwassermangel, Zunahme von Extremwetterereignissen sowie Bedrohung und Veränderung regionaler Ökosysteme. Diese Auswirkungen des Klimawandels stellen nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt dar, sondern auch für das menschliche Zusammenleben und den friedlichen Bestand sozialer Ordnungen (Barnett/Adger 2007; Welzer 2010)
Climate Change Dispute Resolution und hybride ADR-Tools
Im Umgang mit diesen Konfliktfeldern können mediative Mittel wie verschiedene ADR-Tools (Alternative Dispute Resolution) genutzt werden. Gegenwärtig werden sie v.a. bei Konflikten bezüglich der aus dem Klimawandel resultierenden wirtschaftlichen Schäden sowie Konflikten über die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels angewendet (Hammes 2021). Als präventive Maßnahmen im Sinne einer „Climate Change Dispute Resolution“ kommen somit insbesondere folgende ADR-Tools in Betracht (Danish Insitute for International Studies 2012): Konfliktbewertung (Conflict Assesment), interessenbasierte Verhandlungen (Interest-Based Negotiation), verhandelte Gesetzgebung (Negotiated Rulemaking), politische Dialoge (Policy Dialogues) und Schiedsgerichtsbarkeit. Dadurch könnten Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden.
Climate Change Dispute Resolution und mediative Tools
Mediation ist nicht für jeden Konfliktfall und nicht für jede Konfliktpartei geeignet. Jedoch zeigen Fallstudien und Analysen des International Chamber of Commerce (2019), dass sich mediative Verfahren und Tools insbesondere bei der Beilegung von Konflikten über Luftqualitätsstandards, Holzeinschlag, Artenschutz oder die Wiederherstellung von Ökosystemen als nützlich erwiesen. Mediative Tools ermöglichte Konsenslösungen zwischen verschiedenen Akteuren und Interessensgruppen, wobei sich Einsatzfelder sowohl auf staatlicher und grenzüberschreitender als auch auf regionaler und lokaler Ebene ergaben (Knaster 2010). Mediation könnte somit einen Beitrag zum unabdingbaren Klimaschutz leisten.
Bibliografie:
Barnett, J. und Adger, W. (2007): Climate Change, Human Security and Violent Conflict. Political Geography, 26: 639-655.
Birnie, P., A. Boyle, C. Redgwell (2009): International Law and the Environment. 3. Auflage. Oxford University Press.
Danish Institute for International Studies DIIS Report (2012): Addressing Climate Change and Conflict Development Cooperation. Abrufbar via: https://www.diis.dk/files/media/publications/import/extra/rp2012-04-addressing-climate-change_web.jpg_1.pdf.
Hammes, M. (2021): Klimaerwärmung – Wachstumsfeld für Klimaklagen. Dispute Resolution, 3: 3-6.
International Chamber of Commerce (2019): ICC Commission Report: Resolving Climate Change Related Disputes through Arbitration and ADR. Abrufbar via: https://iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2019/11/icc-arbitration-adr-commission-report-on-resolving-climate-change-related-disputes-english-version.pdf.
Knaster, A. (2010): Resolving Conflicts Over Climate Change Solutions: Making the Case for Mediation. Peperdine Dispute Resolution Law Journal, 10 (3): 465-521.
Mirwan, Y., Y. Reddy und R. Rajeev (2021): ‘Developing Glasgow Accord for COP-26 Using Game Theory’. Journal of Climate Change, 7 (3): 1-8.
Moeckli, D. (2015): Das Klima als globales öffentliches Gut. In: Polis und Kosmopolis (Hrsg.: G. Biaggini, O. Diggelmann, C. Kaufmann).
UN Climate Change Conference 2021 (2021): Decision -/CP.26 – Glasgow Climate Pact. Abrufbar via: https://unfccc.int/sites/default/files/resource/cop26_auv_2f_cover_decision.pdf.
UN Climate Change Conference 2021 (2022): Statement von Patricia Espinosa vom 13. November 2021 ‘At COP26, Parties Built a Bridge’. Abrufbar via: https://unfccc.int/news/at-cop26-parties-built-a-bridge-patricia-espinosa.
UN (1992): United Nations Framework Convention on Climate Change. Abrufbar via: https://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf.
Welzer, H. (2010): Klimakriege. 2. Auflage. Frankfurt am Main